Wirtschaftlicher Erfolg made in Urwegen
Wie viele Städte in
Deutschland war auch Dortmund nach dem Zweiten Weltkrieg zu 80 Prozent
zerstört. Ganze Straßenzüge lagen in Schutt und Asche. Wie die folgenden sieben
Fallbeispiele veranschaulichen, profilierten sich Siebenbürger Sachsen aus
Urwegen nicht nur beim Wiederaufbau nach dem Krieg, sondern bewähren sich auch
in der Gegenwart als selbstständige Unternehmer.
1948 gründeten die aus Urwegen
stammenden Brüder Friedrich und Wilhelm Schlingloff
im Herzen des Ruhrpotts eine Hochbau-Firma. Willi Schlingloff,
der nach dem Krieg als gelernter Maurer in Hildesheim studierte und als
Ingenieur und Architekt abschloss, entwarf die Pläne für die Firma. Die
Aufsicht hatte Friedrich, Meister für Hochbau. Durch viel brüderlichen Fleiß
und Ehrgeiz beschäftigte die Firma Schlingloff bald
130 Angestellte, darunter auch mehrere Urweger: Simon
Thiess und Michael Minth
als Maurer, Thomas Thiess als Tischler, Michael Thiess als Polier und Gustaf Schlingloff
als LKW-Fahrer. Fast in allen Dortmunder Straßen begegnete man dem Schild der
Baufirma Schlingloff. Aufgrund ihrer Qualitätsarbeit
gelangte die Firma im Raum Dortmund zu großem Ansehen. Das Unternehmen baute
unter anderem das berühmte Hotel-Restaurant „Wittekind“ in Dortmund und die
katholische Kirche samt dem Turm in Wickede. Die Brüder führten den Betrieb 39
Jahre. Aus Altersgründen wurde die Firma 1987 aufgelöst. Architekt Willi Schlingloff, der jüngere Bruder, verwaltet heute - mit 83
Jahren - über 60 Häuser und Eigentumswohnungen.
Mit 18 Jahren kam Kathi Thiess (verheiratete Schlüchtermann) 1941 nach Deutschland. Sie studierte
Landwirtschaft, um zu Hause auf dem elterlichen Hof die Landwirtschaft zu
fördern. Doch infolge des Krieges blieb sie für immer im Westen. 1949 gründete
sie auf dem angeheirateten landwirtschaftlichen Hof einen Gemüsebetrieb und
brachte es zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau. Auf dem Markt in der Stadt
Iserlohn war die Urwegerin jahrzehntelang als stets
freundliche und liebevolle Gemüseverkäuferin bekannt. Überdies beschäftigte sie
viele Urweger, die sich im Urlaub befanden oder
ausgewandert waren. Aus Gesundheitsgründen schloss Frau Schlüchtermann
1980 ihren Betrieb. Bemerkenswert ist, dass sie 81-jährig noch immer die
Verwaltung und Gartenarbeiten ihrer drei gebauten Häuser erledigt.
Der gelernte Maurer Hans Minth kam 1941 in den
Westen. Zusammen mit Willi Schlingloff studierte er
Hochbau in Hildesheim. 1953 gründete Hans Minth mit
seiner Frau ein Architektenbüro. Die Firma trug viel bei zum Wiederaufbau der
Stadt Dortmund. So konzipierte Minth die Pläne für
C&A und die Großbaustelle des Theaters in Dortmund (Hombruch).
In den achtziger Jahren kamen viele Urweger in den
Großraum Dortmund. Vielen Landsleuten besorgte der Architekt Arbeit und machte
die Pläne für ihre Häuser. Aus Altersgründen schloss Hans Minth
1993 sein Büro. Gleichwohl verwaltet er im hohen Alter von 87 Jahren noch immer
seine mehr als 40 Häuser und Eigentumswohnungen.
Wilhelm Lutsch studierte Medizin in Klausenburg. Nach seiner
Auswanderung 1982 war Dr. med. Lutsch im evangelischen Krankenhaus in der Stadt
Hamm als Internist mehrere Jahre angestellt. Als in den neunziger Jahren ein
Arzt in Dortmund (Scharnhorst) seine Arztpraxis aufgab, hatte Wilhelm Lutsch
dank seiner guten Praxiserfahrungen aus dem
Krankenhaus den Mut, diese Arztpraxis zu übernehmen. Rasch erwarb sich der
Mediziner das Vertrauen eines ansehnlichen Kundenstammes. So sind auch einige
Siebenbürger Sachsen, respektive Urweger Dr. Lutsch
für dessen ärztliche Hilfe dankbar.
Im Jahr 1983 zog Michael Kloos mit Familie aus
Baden-Württemberg nach Nordrhein-Westfalen. Erst arbeitete Kloos
mehrere Jahre als Maurermeister bei einer Hoch- und Tiefbaufirma in Unna, ehe
die Familie 1989 eine Hochbaufirma in Holzwickede gründete. Karin Kloos macht die Büroarbeiten, Michael die Aufsicht. Mit
viel Ehrgeiz wuchs der Betrieb auf 13 Arbeiter, unter den Mitarbeitern auch
siebenbürgische Landsleute. Trotz der großen Konkurrenz und mancher Krisenjahre
steht die Firma heute solide da.
Krista Thiess absolvierte zunächst die
Ausbildung als Friseurin in Dortmund, arbeitete danach einige Jahre in
verschiedenen Friseursalons und legte die Meisterprüfung ab. 1996 machte sie
sich selbstständig. Sie richtete einen modernen Friseursalon in Holzwickede ein
und beschäftigt heute sieben Friseusen und drei Lehrlinge. Trotz der großen
Konkurrenz hat Krista Thiess sich einen breiten
Kundenstamm erworben, darunter auch viele Landsleute.
Martin Sutoris kam 1983 in die Bundesrepublik.
Der gelernte Maurer besuchte eine Fortbildungsschule in Essen. Als Werkspolier
war er dann 15 Jahre bei einer Tiefbaufirma tätig. Vertraut mit Ausmessungen
und Büroarbeiten, wagte er 1998 den Schritt in die Selbstständigkeit und
gründete mit seiner Ehefrau eine Tiefbaufirma. Maria Sutoris
kümmert sich um Ausmessungen und Büroarbeiten. Die auf Pflaster,
Asphaltarbeiten, Kellerabdichtungen und Kanalreparaturen spezialisierte Firma
beschäftigt zehn Angestellte.
Hans Schuller
(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische
Zeitung, Folge 1 vom 20. Januar 2004, Seite 3)