Rumänen trauern den Deutschen nach
In der rumänischen
Presselandschaft begegnet man dieser Tage Wertschätzungen betreffend die
ehemals zahlenmäßig so bedeutende deutsche Bevölkerung und Bedauern über deren
Auswanderung. Rumänische Persönlichkeiten aus dem Banat oder Siebenbürgen
würdigen in Interviews das "andersartige Umfeld", erinnern an Rezepte
sächsischer Hausfrauen, die "leider nicht mehr da sind" oder liefern
spalten-, ja seitenfüllende Beiträge zur jüngsten
Vergangenheit.
Wenn
man weiß, dass der Exodus der Deutschen aus Rumänien vor gut 60 Jahren
eingesetzt hat und bis vor Kurzem darüber kein Bedauern zum Ausdruck gekommen
ist, ja sogar nach 1989 die einst prägende Existenz dieser verschwindenden Bevölkerung
fast totgeschwiegen wurde, so ist dieser späte Sinneswandel anzuerkennen. Zwei
Beispiele aus der Presse sollen hier näher vorgestellt werden.
In der relativ freiheitlichen, dem politischen Spektrum nach „Mitte rechts“
einzuordnenden Tageszeitung ROMANIA
LIBERA vom 5. März 2004 erschien in der wöchentlichen Beilage „aldine“ ein anderthalbseitiger
Beitrag unter der Überschrift "Der Leidensweg der Dobrutschadeutschen".
Die Autoren Al. Mihalcea und Marian
Moise schildern den Hergang der Ansiedlung Deutscher
aus unterschiedlichen Herkunftsgebieten (Polen, Bessarabien, verschiedenen
Gebieten des zaristischen Russlands), beginnend im vierten Jahrzehnt des 19.
Jahrhunderts, als die Dobrudscha noch unter türkischer Hoheit stand. Es wird
hervorgehoben, dass - obwohl gering an Zahl (1930 ca. 1,5 Prozent der 810 000
Einwohner zwischen Donau und Schwarzem Meer) – ihr zivilisatorischer Einfluss
in dieser Gegend erheblich war: Sie brachten den Sinn für Ordnung und Sauberkeit,
der sehr bald auch auf die ansässigen Rumänen und Türktataren abfärbte; sie
führten den Obstanbau und die Gänsehaltung ein, brachten eine robuste
Pferderasse (geeignet für die Landwirtschaft) und führten landwirtschaftliche
Geräte und Maschinen ein. Bald nach dem rumänisch-bulgarischen Vertrag vom 7.
September 1940 beginnt ihre massive Auswanderung nach Deutschland. Der Beitrag
schließt mit der Feststellung: "Es ist sicher bedauerlich, dass die
Deutschen in ihrer überwiegenden Mehrheit - so wie auch die Juden – diese
Gegend verlassen haben. Wie die Juden auch, wurden viele von ihnen, die noch
hier geblieben waren, als 'Ware' unter der 'leuchtenden' Herrschaft des
Sozialismus verkauft (...) Die vor gut 150 Jahren in diese gastfreundliche
rumänische Gegend am Meer gekommen sind, hatten sich das Glück ganz anders
vorgestellt."
Jurnalul National: "Unsere Deutschen
- ein Volk, das uns fehlt"
Die Tageszeitung JURNAL
NATIONAL vom 26. April 2004 widmet ihre erste Seite unter dem Titel
"Unsere Deutschen- ein Volk, das uns fehlt" (mit großformatigem
Farbbild: auf der verlassenen Straße eines sächsischen Dorfes geht ein alter
Mann) und fast die Hälfte ihrer 40-seitigen Ausgabe der praktisch
verschwundenen deutschen Bevölkerung. In 16 Beiträgen verschiedener Autoren (u.a. Univ.-Dozent Dr. Adrian Cioroianu
und Emil Hurezeanu) wird die Geschichte der Deutschen
Rumäniens reich bebildert und eindrucksvoll dargelegt: die Geschichte der
Siebenbürger Sachsen, "die friedlichste und fleißigste Minderheit dieser
Gegend Europas, (...) von der die rumänische Mehrheit immer zu lernen hatte,
(...) deren Ausverkauf einen der großen Verluste Rumäniens des 20. Jahrhunderts
darstellt, (...) eine Bevölkerung, die im Laufe der Jahrhunderte mehr Nutzen
als Probleme gebracht hat"; zudem die Vergangenheit der Banater Schwaben,
„die die Sümpfe um Temeschburg in blühende Dörfer
verwandelt haben“; und das Schicksal der Berglanddeutschen ("in Dörfern,
die bis 1945 fast nur von Deutschen bewohnt waren, dreht sich einer heute um,
wenn er auf der Straße zwei sich schwäbisch begrüßen hört"). Eindrucksvoll
entfalten sich Einzelschicksale, u.a. Michael
Henning, Postbote aus Michelsberg; das Anwesen von Samuel von Brukenthal in Leschkirch; Maria Sonnleitner, Landlerin aus Großpold; Marie Luise Roth-Höppner, "Tochter des
berühmten siebenbürgisch-sächsischen Politikers Hans Otto Roth" und
Vorsitzende der Vereinigung der nach Rumänien zurückgekehrten Deutschen;
Pfarrer Eginald Schlattner aus Rothberg; die Familien
Dootz und Fernolend aus Deutsch-Weißkirch; der Bildhauer Peter Jakobi, der es
bedauert, dass "die sächsische Jugend in Deutschland schon assimiliert ist
und keine Verbindungen mehr zu Siebenbürgen hat, nicht einmal emotionaler
Art".
Das Schicksal der Rumäniendeutschen im Januar 1945, die Enteignung,
Deportation, die Machenschaften des nationalistischen kommunistischen Staates
(„Erniedrigungen, unter welchen andere Völker untergegangen wären“), all dies
kommt zur Sprache. Des Weiteren wird auf vereinsamte Alte in den Dörfern, im
Altenwohnheim Dr. Carl Wolff in Hermannstadt, aber auch auf das Demokratische
Forum der Deutschen aus Rumänien, im Land gebliebene sächsische Unternehmer
sowie „Heimkehrer“ hingewiesen. Nicht erwähnt werden die Sathmarschwaben,
die Zipser und die Dobrutschadeutschen,
aber ungeachtet dessen ist diese Darbietung eine sehr gute, realistische
Radiographie der deutschen Vergangenheit und Gegenwart in Rumänien - die auch
Bitternis aufkommen lässt!
Manfred Kravatzky