GEHEIMDIENST /Opfer fordern Einblick in Akten

Machenschaften derSecuritate im Dunkeln

Die Regierung ist nicht daran interessiert, die Machenschaften der Securitate aufzudecken. Das sagen Opfer des Geheimdienstes. Sie fordern, dass Täter bestraft werden.

Die Zähigkeit besticht. 82 Jahre alt ist Ticu Dumitrescu, doch einlenken will der Vorsitzende der Vereinigung ehemaliger politischer Häftlinge nicht. Die Verantwortlichen für politische Morde und Inhaftierungen will der alte Mann zur Rechenschaft ziehen. Und gemordet im Auftrage einer Ideologie wurde in Rumänien viel  und vor allem lange. Auch Jahre nachdem in Polen, Ungarn und Tschechien keine politischen Verhaftungen mehr erfolgten, schlug der rumänische Geheimdienst Securitate noch zu, mit aller Härte.

Mehr als 100 000 politische Häftlinge und Deportierte habe es in Rumänien während der kommunistischen Ära gegeben. Ticu Dumitrescu war einer davon. Insgesamt zwölf Jahre war er wegen antikommunistischer Demonstrationen und „Verschwörung" in Haft. Zwei Jahre davon in einem Vernichtungslager am Schwarzen Meer, wo Gefangene beim Bau des Donau-Schwarzmeer-Kanals drei Kubikmeter Erde pro Tag ausheben und abtransportieren mussten, um überhaupt etwas zu Essen zu bekommen. „Die Haftbedingungen waren unmenschlich." Nicht nur dort.

„Du bist hier, um nicht mehr raus zu kommen", haben ihm Wärter in einem Gefängnis gesagt. Das bedeutete jahrelang keinen Kontakt zur Familie, die Mutter wähnte ihren Sohn tot, bestialische Prügel, Einzelhaft bei völliger Verdunkelung. Als einer der letzten politischen Häftlinge wurde Dumitrescu begnadigt. „Der Staat hat die Verbrechen nie zugegeben", sagte der ehemalige Häftling bei einem Gespräch auf Einladung der Robert Bosch Stiftung. Auch die EU schweige, beklagt der 82-Jährige. Der  Westen habe den Kommunismus begnadigt, weil kein Regierungschef die Ruhe, des russischen Präsidenten Putin stören wolle.
Niemand außer einigen Wissenschaftlern um den jungen Historiker Marius Oprea. Sie hören nicht auf, Zugang zu den Akten der Securitate zu verlangen. Nach dem Vorbild der Gauck-Behörde wurde auch in Rumänien eine Behörde zur Aufarbeitung der Securitate-Akten eingerichtet. Doch die Unterlagen des Geheimdienstes blieben bis 1994 in den Händen der Militärs. Selbst heute erfolgt die Herausgabe nur zögerlich. „Wenn sie das jetzige Tempo beibehalten, wird es noch 200 Jahre dauern, bis alle Akten an die Aufklärungsbehörde übertragen sind", beklagt Oprea.

Akten auf der Müllhalde

Viele Dokumente seien zudem vernichtet worden. Im Vergleich zur kleineren DDR, wo die Stasi-Akten auf 180 Kilometer aufgereiht werden können, reichen die noch vorhandenen rumänischen Akten gerade einmal für 25 Kilometer. Sieben Tonnen Unterlagen seien 1991 auf einer Müllhalde gefunden worden. Zur Rechenschaft gezogen wurde dafür niemand. Oprea: „Die politische Klasse ist nicht interessiert daran, die Vergangenheit zu enthüllen:"

Er jedoch macht mit der Veröffentlichung der Namen von Securitate-Offizieren weiter, auch wenn Beschuldigte gegen ihn klagen und Entschädigungen in Höhe von umgerechnet 600 000 Euro fordern. Den Prozessen sieht er gelassen entgegen: „Am meisten Angst haben sie vor meiner Hartnäckigkeit." Und davor, dass er vor den Europäischen Gerichtshof ziehen könnte. Oprea hat das fest im Blick.